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Aus der Perspektive eines treuen Freundes

Gedanken von Michael Sagmeister:


Heute Morgen zu sehr früher Stunde fand der Mountainbike Bewerb bei den Olympischen Spielen statt. Mein großer Radheld der letzten Monate Mathieu van der Poel stürzte leider schwer und musste ein paar Runden später das Rennen aufgeben. Von mir persönlich bewundert und verehrt ist van der Poel der Held, der alle großen Rennen gewinnt und immer versucht sich selbst bis über sein Limit zu pushen. Unerreichbar in weiter Ferne, niemals in der Lage auch nur ein Wort mit ihm zu sprechen, bleibt er im Fernseher zurück. Doch dort wurde mir sehr eindrücklich klar, dass ich auch Helden und Vorbilder habe, die gerade jetzt im Moment bei Olympia starten und um Medaillen kämpfen. Und diese beiden Sportler kann ich jederzeit anrufen, treffen, umarmen und ihnen gratulieren … als Supporter der ersten Stunde macht einen das unfassbar stolz und glücklich!. Mein Radheld van der Poel war dann relativ schnell vergessen …


Ein Vorteil im Segelsport ist, dass der Großteil des Publikums erst auf den zweiten oder dritten Blick genau weiß, um was es bei diesem komplexen Sport denn eigentlich genau geht. Viele wissen, dass man ein Segelboot braucht und das Wind auch keine schlechte Komponente ist. Dann wird es aber schon sehr sehr dünn … was mich am Segelsport und noch viel mehr an Benjamin und David fasziniert, dass ein Großteil – und sehr oft auch wirklich die harte Knochenarbeit – ausschließlich im Hintergrund passiert. Mein sportlicher Ehrgeiz in den letzten Jahren war konjunkturell sehr stark davon geprägt, wie sehr ich Lust hatte mich zu verausgaben. Oft fehlte auch der Wille dazu. Als ich mich vor knapp zweieinhalb Jahren dazu entschied, einen neuen und spannenden Weg einzuschlagen, war gerade Benjamin eine unglaublich große Stütze auf diesem Weg. Obwohl ich selbst seit Jahren begeisterter Segler bin, hat es mir gerade in den letzten Jahren das Rennrad und mittlerweile auch das Mountainbike doch sehr angetan. Wie hängt das jetzt eigentlich mit Segeln zusammen? Doch was braucht es denn jetzt außer einem Segelboot und Wind noch zu einer Olympiakampagne?


Körper

Stundenlang auf dem Wasser zu sein, oft stehend, den Elementen ausgesetzt – hinterlässt am Körper massiv Spuren. Der Rücken, die Oberschenkel, die Arme und vor allem auch der Kopf müssen auf diesen Kampf mit den Elementen vorbereitet werden. Ähnlich zum Fahrrad, ist man ständig in Bewegung und schöpft massive Leistung daraus, dass der Körper schlichtweg funktioniert wie eine Maschine. Benjamin und David verbringen mehrere Stunden jeden Tag in den Kraftkammern der Olympiazentren in Vorarlberg und Tirol und stählern ihre Körper. Physiotherapie und Massage der besonders ausgezehrten Körperstellen ist ein Gebot der Stunde. Hinzu kommt eine ausgewogene Ernährung mit großem Fokus auf Proteine und gesunde Fette. Vielfältiges Training mit Gewichten, aber genauso auf den verschiedenen Skiern, auf dem Rennrad oder dem Mountainbike bringen Abwechslung in den sonst sehr strikten Trainingsalltag.


Geist

Wenn man mit dem Rennrad bei einem Bergrennen mit einem Durchschnittspuls nahe der 200 Herzschläge pro Minute sich den Berg hochkämpft, kommt unweigerlich die Frage auf, warum in Gottes Namen man sich den sowas antut? Der Geist – die mentale Fähigkeit oder schlichtweg der innere Schweinehund – wird ständig herausgefordert und die Grenzen der Brechbarkeit des eigenen Körpers werden nahezu täglich neu definiert. Der Segelsport zeichnet sich unter anderem auch dadurch aus, dass ein Freiluftsport von der Natur ständig vorgeschrieben bekommt, was denn jetzt für ein Wind weht, welche Welle sich entwickelt, welche Thermik eventuell in einer Stunde weht oder welche Wolke sich gerade über das Meer oder den See zieht. Diese kleinen Eindrücke müssen ständig sekundenschnell aufgenommen und verarbeitet werden, um die daraus richtigen Entscheidungen zu treffen.


Doch wie stärkt ein Sportler seinen Geist? Bei Benjamin ist das relativ einfach – gutes Essen in Form von gegrillten Ripple, eine Ausfahrt mit dem Rennrad in der Natur, Skifahren und Langlaufen – aber am allerwichtigsten ist seine Familie. Der Vorteil bei Familie Bildstein ist, dass jeder sofort aufgenommen wird, man bekocht und verköstigt wird und sich sofort ein Gefühl von ‚Heimat‘ und ‚nachhause kommen‘ einstellt. Hinzu kommen bei Benjamin die Pistenraupen, bei denen Benjamin in absolute Verzückung gerät und gar nicht mehr aufhören kann von ihnen zu sprechen. Sämtliche Details inkludiert. Sollte auf irgendeiner Fahrt eine Pistenraupe auftauchen, wird selbstverständlich stehen geblieben und man schaut sich dieses Ungetüm ausgiebig an.

Bei David ist es ähnlich – Zeit mit der Familie, seinem Bruder Raphael und Freundin Kerstin, aber auch der Wintersport und der Ausflug in die Natur geben ihm viel Rückhalt und Kraft. All das ist notwendig, um den Geist auch zur Ruhe kommen zu lassen. Jeder Sportler funktioniert am Ende des Tages nur so gut, wie es das Innere erlaubt. Beide Sportler sind in diesem Sinne einfach – Familie und Freunde geben Beiden Kraft und laden die Batterien wieder auf!


Team

Am Ende des Tages müssen die beiden Profisportler ihre Leistung auf dem Wasser allein erbringen. Im Hintergrund fungieren aber unglaublich viele Stellen als helfende Hand, denn der Segelsport ist ein wie wenige Sportarten ein wirklich intensiver Teamsport. Ohne Team funktioniert schlichtweg gar nichts! Kleine Bemerkung am Rande: auch der Radsport ist – auch wenn man allein am Rad sitzt – ein Teamsport. Trainer auf dem Wasser und an Land, Ernährungswissenschaftler, Masseure, Sportpsychologen, Physiotherapeuten, Ärzte und Mentalcoachs kümmern sich um Körper und Geist. Die Segelverbände im Bund und im Land kümmern sich mit Ehrenamtlichen um den Fuhrpark, die Autos, Anhänger, Boote und Masten sowie Container, welche teilweise das ganze Jahr rund um den Planeten auf den Weltmeeren unterwegs sind. Besonders erwähnt werden müssen hier die ehrenamtlichen Verbandsfunktionäre, die mehrere hundert Stunden im Jahr – man muss es noch einmal betonen – ehrenamtlich für die Segelteams arbeiten, zu Landesregierung und Sponsoren tilgen, um noch ein bisschen Geld zu organisieren und als Ansprechpartner bei vielen rechtlichen und vereinsrechtlichen Fragen fungieren.


Am Ende sind es auch Freunde und Kollegen, welche mit simplen Nachrichten für große Unterstützung sorgen! Das mit Abstand wichtigste Team sind aber die beiden Profisportler selbst – sei es die beinahe 2 Meter lange und an die einhundert Kilo schwere Werkzeugkiste aufzuräumen und zu sortieren oder einen 49er von der Werft so aufzubauen, dass er segelfertig ist, braucht es die beiden Sportler! Als enger Freund ist es auch mir wirklich immer eine Freude, die beiden zu sehen und mit ihnen Zeit zu verbringen. Und gerade dort gilt es auch als enger Freund und Kollege flexibel zu sein – die beiden sind an die 300 Tage im Jahr irgendwo auf der Welt unterwegs – gemeinsame Zeit unter Freunden ist schwierig, daher werden diese wertvollen Stunden auch schon einmal im kalten Segelzentrum im Winter dazu genutzt um einerseits zu quatschen und andererseits das neue Boot aufzubauen.


Fotocredit: David Pichler

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